Heute befasst sich Skullchicken, unsere fleißige Autorin des Abenteuers "Der Schatz von Käpt´n Selkie" mit einer spannenden Thematik die bei vielen Rollenspielern nicht unbedingt Freude auslöst. Zu unrecht?
"Sledge, der Straßensamurai, rutscht auf einer Bananenschale aus. Eleanor, die Elfenprinzessin, verschluckt sich und prustet Tee in das Gesicht des Gesandten der Schrecklich Wichtigen Kriegsverbündeten. Nao, die Ninja, des Skorpionsklans greift beim Klettern in Vogelkacke, rutscht ab und trifft beim Fall nach unten jeden einzelnen Ast.
Die Würfeln kümmern sich nicht um Pathos.
Die Würfel sind unbarmherzige Götter.
Und das ist super!
Im Gegensatz zu den meisten anderen Medien kann man Spiele aus der ersten Person heraus erleben. Besonders in Videospielen für Einzelspieler ist das Potential zum Ausleben von Machtfantasien sagenhaft. Aber Triumph als Dauerzustand hat schnell sinkende Erträge. Und was für mich Pen & Paper Rollenspiele so besonders macht, ist, dass sie einem die Ego-Massage verweigern. Man muss seinen Charakter über etwas anderes definieren, als seine Kompetenz. Oder eher: Es wäre wünschenswert, wenn man beim Spielen den größtmöglichen Spaß haben will.
Sledge, der Straßensamurai, schlägt sich wochenlang damit herum, die Instanzen des viralen Videos mit der Bananenschale aus dem Netz hacken zu lassen. Sein Ruf leidet darunter. Bei der nächsten Mission zeigt er gegenüber eines Cybermobbing-Opfers unerwartet Mitgefühl und gewinnt sein Vertrauen, wo alle anderen Gruppenmitglieder scheitern.
Eleanor, die Elfenprinzessin, errötet und zieht den Gesandten schnell zur Seite, fernab verurteilender Augenpaare. Während sie beteuert, wie sehr es ihr leid tut, spinnt sie ihr Ungeschick zu einem reizvollen Charakterinteraktion. Die traute Zweisamkeit beim Abtupfen und ihr beschämtes Wimpernklimpern entfachen ein kleines aber stetes Feuerchen im Herzen des Gesandten.
Nao, die Ninja, überlebt knapp durch Heiler-Intervention (und bekommt es natürlich von allen unter die Nase gerieben). Wochen später kämpfen sie und ihre Gefährten gegen eine Gruppe Untoter in einer unterirdischen Ruine. Da wird Haru, die Heilerin, kritisch von einem herabstürzenden Mauerstück getroffen wird. „Siehst du“, erklärt Nao der begrabenen Haru „Wände sind der Erzfeind!“
Versagen hat einen schlechten Ruf. Aber lernen, damit umzugehen, macht uns zu besseren Menschen. Und wozu spielen wir denn, wenn nicht, um für das Leben zu üben?
Hier also meine Vorschläge für die nächste Charaktererschaffung:
Welche Einstellung hat mein Charakter gegenüber jenen, die...
… geringer gestellt sind?
… höher gestellt sind?
… ihm ebenbürtig sind?
Wie geht mein Charakter mit Versagen um?
Welche Persönlichkeit hat mein Charakter unabhängig davon, ob sie gewinnt oder verliert?
Was wäre ein guter Tod für meinen Charakter (also einer, den ich nicht bereuen würde)?"